Auto-Deutschland tickt aus: SPD und Grüne führen Diesel-Verbote in Berlin ein – und träumen schon davon, auch nagelneue Euro 6-Diesel zu verbieten . Die Alternative: Zu Fuß gehen, Rad fahren oder öffentliche Verkehrsmittel – viel Spaß dabei in der Chaos-Metropole Berlin – oder halt mit dem Elektroauto. Das kommt eher einem Kreuzzug gegen die individuelle Mobilität gleich und dürfte das Gegenteil bewirken: Die Zwangs-Elektrifizierung des Individualverkehrs, bevor das Gros der Menschen überhaupt bezahlbare Alternativen zu ihren Benzinern und Dieseln hat – damit will man ernsthaft Leute fürs E-Auto begeistern?

Begeisterung für Stromer kommt nicht als Zwangsmaßnahme

Denn das Langstrecken- und familientaugliche Elektroauto, das man sich auch leisten kann, ist noch nicht auf dem Markt. Selbst ein Tesla Model 3 kostet soviel wie ein voll ausgestattetes Diesel- oder Benziner-SUV. Hyundais Elektro-Kona ist ebenfalls nicht billig und zudem mehr ein Rentner- oder Pärchen-Auto, in dem kein Kinderwagen Platz hat und der Einkauf im Möbelhaus schon gar nicht. Was nützt es da, wenn der Wagen jetzt endlich mit einer "Tankfüllung" auch so weit kommt wie ein Verbrenner seit zig Jahrzehnten?

Es gibt sie aber durchaus, die familientauglichen Premium-Allround-Autos mit Strom – von Tesla (Model S und X), Jaguar (i-Pace) und jetzt auch von Audi (e-tron). Der große Schönheitsfehler: Diese Fahrzeuge kosten zwischen 80.000 und 100.000 Euro.

FOCUS Online Bye-bye, Tesla? Audis Elektro-SUV im ersten Check

Die elektrische Eierlegende Wollmilchsau muss also noch vom Premium-Segment nach unten durchgereicht werden. Audi könnte mit dem e-tron trotzdem einen Erfolg einfahren, den die Marke nach ihrem jahrelangen Diesel-Betrug und mit einem (Ex-)Chef im Knast für ihr zerschossenes Image gut gebrauchen kann. Design und Innenraum des e-tron haben wir bereits unter die Lupe genommen – aber wie fährt sich der Wagen denn nun? Schließlich haben Tesla in Sachen Beschleunigung und Jaguar in Sachen Fahrdynamik einiges vorgelegt. Audi Audi fordert mit dem E-Tron Tesla heraus

Um es gleich vorwegzunehmen: Teslas Model X hat die beste Beschleunigung. Das war’s dann aber auch. In Sachen Fahrdynamik und Fahrsicherheit blasen sowohl Jaguar als auch Audi die Amerikaner einfach von der Straße.

Tesla kann geradeaus – und sonst nicht viel

Während der 2,5 Tonnen schwere Audi im Komfort-Modus dank Luftfederung elegant über jede Bodenwelle gleitet, geht es im Dynamik-Modus richtig zur Sache. An der Hinterachse stehen 165 kW zur Verfügung, an der vorderen 135 – die maximale abrufbare Leistung mit Boost liegt bei 300 kW / 407 PS. Der so entstehende Allradantrieb braucht keine mechanische Verbindung zwischen den Achsen, alles geschieht über Rechenpower. Trotz des üppigen Gewichts prügelt man den e-tron auf losem Untergrund durch die Kurven, als säße man in einem halb so leichten Audi Quattro. Teslas Model X wankt im Vergleich dazu durch die Landschaft wie ein Nilpferd auf Drogen. Hersteller Audi e-tron

Im reinen Offroad-Modus kann das ESP des Audi sogar komplett ausgestellt werden und man driftet den Wagen spielerisch um die Kurven. Die Stabilisierung wird dann komplett von der blitzschnellen Ansteuerung der E-Motoren übernommen, die das Drehmoment zwischen den Achsen und den einzelnen Rädern verteilen. Während der klassische Quattro-Antrieb mit den kopflastigen Verbrenner-Modellen zum Untersteuern neigt, ist der elektrische Allradler mit dem tiefen Schwerpunkt und der 50:50-Gewichtsverteilung ein ganz anderes Kaliber.

Der ärgste Konkurrent: Jaguar i-Pace im Test FOCUS Online Auweia, BMW und Audi: Diesen Elektro-Renner hättet ihr gern

Aufräumen kann der Wagen auch mit dem Vorurteil, dass elektrische Hochleistungsantriebe ihre Mega-Power nur für ein paar Beschleunigungsvorgänge ausspielen und dann erst einmal abkühlen müssen. Die Dauerbelastbarkeit des Antriebsstrangs liegt nicht nur in der aufwändigen Akku-Kühlung und dem Batterie-Management begründet, sondern auch in einem Kühl-Management für die beiden Asynchron-Elektromotoren. Während ein Tesla nach mehreren Vollgasfahrten die Leistung herunterregeln muss – was beim Model 3 erst später und graduell passiert, aber doch merklich – versorgt Audi seine selbst entwickelten E-Maschinen mit einem komplexen Kühlkreislauf, der auch den Rotor selbst kühlt. Bei den Testfahrten blieb denn auch nach zahlreichen Vollgas-Runden im Handling-Parcours die Power des Wagens konstant.

Bei Tempo 200 ist Schluss. Warum eigentlich?

Aus diesem Grund verzichteten die Ingolstädter auch auf die maximale Höchstgeschwindigkeit, die bei normalen Diesel- oder Benziner-SUV der Marke ja erst bei 250 abgeregelt wird. Im e-tron ist bei 200 Schluss. „Natürlich kann man so ein Auto auch 250 km/h schnell machen, aber zu welchem Preis?“, sagt Michael Wein, Projektleiter für elektrische Antriebe bei Audi. Die 200 zehren natürlich auch überproportional an der Reichweite, aber dass der Wagen deshalb wie manch andere Stromer plötzlich ins Notlauf-Programm fällt, wollen die Deutschen vermeiden.

FOCUS Online Audi, Daimler und BMW können sich warm anziehen: So gut ist Teslas Model 3

Auch die Übersetzung des Eingang-Getriebes ist so gewählt, dass es einen Kompromiss zwischen Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung gibt. „Mit einer anderen Übersetzung hätten wir vielleicht eine höhere Endgeschwindigkeit, aber dann würde uns ein Elektro-Smart beim Sprint von der Ampel abziehen“, sagt Michael Wein. So beschleunigt der e-tron in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, was immer noch fast so schnell ist wie bei einem Audi SQ5 (5,4 Sekunden). „Mehr Leistung geht natürlich immer“, sagt Wein. Man darf davon ausgehen, dass es vom e-tron auch eine SQ- oder RS-Variante geben wird. Selbst das Übersetzungsproblem ist dabei lösbar – mit einem mehrgängigen Getriebe. Hersteller Audi e-tron

Elektroautos müssen keine nerdigen Spaßbremsen sein

Es steht jedenfalls nicht zu befürchten, dass die Welt der Elektroautos nur aus rollenden, Daten abgreifenden Smartphones bestehen wird, wie sich das Google und Apple erträumen. Das erklärt vielleicht die Ruhe der Audi-Entwickler, die auf eine jahrzehntelange Erfahrung in der Fahrwerks- und Antriebsentwicklung zurückblicken. Sie scheinen nicht das Gefühl zu haben, dass ihre Expertise durch die aus dem Boden schießenden Elektro-Startups plötzlich überflüssig wird.

Ebenso merkt man den Audi-Leuten die Genugtuung an, dass sie BMW und Daimler elektrisch überholt haben. Vor allem die Münchner haben nach den Vorreiter-Modellen i3 und i8 eine fatale Elektro-Lücke zugelassen, die viel zu spät mit einem hastig elektrifizierten X3 und dem Zukunfts-Modell iNext gefüllt wird. Bis dahin haben Tesla, Jaguar und Audi wahrscheinlich schon tausende ihrer Elektro-SUV an die Premium-Kundschaft verkauft.

55.000 e-trons pro Jahr sind geplant

Beim e-tron, der in Belgien gebaut wird, plant Audi mit 55.000 produzierten Autos pro Jahr. Trotz des happigen Preises von 79.900 Euro scheint das nicht unrealistisch. Für den Plug-In-Hybrid Q7 e-tron dürfte der „echte“ e-tron dagegen das Todesurteil bedeuten. Vermissen wird den Diesel-Hybriden niemand, denn sein Verbrauchsvorteil gegenüber einem normalen Diesel war ein schlechter Witz. Audi Innen geht es gemäßigt futuristisch zu

Was im neuen e-tron noch nicht überzeugt, ist die Bedienung. Die diversen Fahr-Modi (Auto, Comfort, Efficient, Dynamic, Allroad, Offroad) sind für Technik-Verliebte vielleicht die Offenbarung – im Alltag wird sie kaum jemand ausnutzen. Verwirrend ist die digitale Rundinstrumenten-Anzeige. So verwechselt man die Power-Anzeige (0 bis 100 Prozent) schnell mit der Reichweitenanzeige, die unscheinbar im selben Instrument untergebracht ist.

Cockpit: Audi wollte zuviel – da wird's verwirrend

Insgesamt ist das e-tron-Cockpit das Gegenstück zu Tesla, in dem der Fahrer eigentlich keine Rolle mehr spielt, sondern im Fernziel nur noch als Passagier an Bord ist und auf dem XXL-Monitor Videos schauen oder Einkäufe tätigen soll, während ihn der Autopilot fährt. Das Auto zum Selberfahren kommt von Jaguar oder Audi; auch wenn Audis automatisiertes Fahrsystem durchaus auf Abruf bereitsteht, sobald die Gesetzeslage es zulässt: Den „A.I.“-Knopf im Wagen gibt es schon.

FOCUS Online Jetzt wird’s kompliziert: Beim modernsten Q7 müssen Sie drei Tanks befüllen – was das bringt

Für den happigen Basispreis des e-tron bekommt man unter anderem Luftfederung, Navigationssystem und diverser Assistenzsysteme serienmäßig, so dass man für den e-tron im Vergleich zu einem Q5 oder Q7 deutlich weniger Kreuze in der Aufpreisliste machen muss. Ob Audi mit dem e-tron auch Gewinn macht oder bei jedem Wagen draufzahlt, bleibt das Geheimnis der Ingolstädter. Datenbank, Tests, Probefahren: Alle Elektroautos in Deutschland

FOCUS Online befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema Elektromobilität und bietet Ihnen umfangreiche Daten, Praxistests, Videos und Ratgeber zum Thema. Bei uns finden Sie Fahrberichte und aussagekräftige Alltagstests von fast 100 Elektroautos, Plug-In-Hybriden und Brennstoffzellen-Fahrzeugen.

Wir testen die Fahrzeuge seit 2016 zusammen mit CHIP. Auf dem neuen Emobility-Hub Efahrer.com finden Sie den kompletten Überblick über alle auf dem deutschen Markt erhältlichen E-Fahrzeuge mit Daten und Preisen und können direkt eine Probefahrt vereinbaren. Dazu gibt es Karten aller Ladestationen, Reichweiten-Rechner und viele weitere Services.

Zwei Ladebuchsen und bis zu 150 kW Ladeleistung

Fürs Aufladen hat der Elektro-Audi gleich zwei Ladebuchsen am rechten und linken Kotflügel, die hinter einer sanft nach oben gleitenden Klappe verborgen sind. Geladen wird entweder am heimischen Stromnetz mit 11 kW oder (gegen Aufpreis) mit 22 kW. Damit ist der 95 Kilowattstunden große Lithium-Ionen-Akku in vier bis fünf Stunden gefüllt. An öffentlichen Ladesäulen mit Schnelllade-Standard tankt der Wagen über den CCS-Stecker mit maximal 150 kW, so dass eine Ladung bis 80 Prozent in einer halben Stunde möglich ist. Mit einer eigenen App will Audi seinen Kunden das Anbieter- und Karten-Chaos der verschiedenen Ladesäulen-Systeme ersparen, so dass man überall einfach tanken und bezahlen kann.

FOCUS Online/Wochit Voller Akku nach drei Minuten: China löst Elektroauto-Problem ganz simpel

Und die Reichweite? Da die Angaben nach dem neuen WLTP-Zyklus noch nicht offiziell sind, redet Audi nur von „über 400 Kilometern“. Angesichts der Akkukapazität kann man wohl von rund 460 Kilometern ausgehen. Mehr als beim Basismodell des Tesla Model X, aber weniger als beim Topmodell P100D. Autobahntempo ist freilich Gift für die Reichweite, egal von welcher Marke der Stromer kommt. Dauerhaft 180 wird da niemand fahren, selbst wenn es möglich ist.

Reichweite: 400 bis 500 km

Wer die Tachonadel des e-tron zwischen 140 und 160 km/h hält, dürfte immerhin rund 200 bis 250 km weit kommen. Durch das ausgeklügelte Temperaturmanagement inklusive Wärmepumpe, bei der die Hitze des E-Antriebs genutzt wird, haben übrigens auch niedrige Außentemperaturen keinen so großen Einfluss mehr auf die Reichweite eines E-Autos wie früher. Genaue Daten für den Audi-Brummer muss man bis zu einem längeren Praxistest abwarten. Audi Der E-Tron kostet rund 80.000 Euro

Den Diesel schlägt auf der Langstrecke keiner

Für den Langstrecken-erprobten Diesel ist das E-Auto selbst mit 400 bis 500 Kilometern natürlich keine Herausforderung. Entwicklungsleiter Michael Wein sieht als einen wesentlichen Knackpunkt nicht noch größere Akkus, sondern eher die weitere Reduzierung der Ladezeiten. Die sei aber schon in Sichtweite – das Strom-Zapfen werde dann nur rund 15 Minuten dauern. „Wenn sie dann auf die Toilette gehen, einen Kaffee trinken und an der Kasse bezahlen, ist das kaum länger als Benzin tanken“, meint Wein.

Tesla schläft nicht: Model Y wird das neue Kompakt-SUV

Während der e-tron bald an die Kunden ausgeliefert wird, entwickeln die Audi-Leute schon die nächsten Stromer. Eine neue, Konzern-übergreifende Plattform soll den E-Antrieb schnell in andere Fahrzeugklassen erweitern. Kandidaten gibt es viele: Ein Mini-SUV, ein Crossover-Coupé oder doch eine Limousine? Denn auch der Tesla-Druck wird nicht nachlassen: 2019 soll mit dem Model Y das erste kompakte SUV der Amerikaner den Verkaufserfolg des Model 3 wiederholen. Dazu kommen zahlreiche neue Konkurrenten, auch aus China. Für den Käufer kann das nur gut sein: Je mehr Konkurrenz, desto größer wird auch der Preisdruck.

Der Autor reiste auf Einladung des Herstellers

Hersteller: Audi Typ: Elektroauto Motor: Zwei Asynchron-Elektromotoren Leistung: 300 kW (408 PS) Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h weitere Daten… Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 5,7 Sekunden Getriebe: Eingang-Getriebe Antrieb: Allradantrieb Akkutyp: Lithium-Ionen Akkukapazität: 95 kWh Reichweite elektrisch: 400 km Lademöglichkeit an Haushaltssteckdose: Ja Lademöglichkeiten und Steckerarten: Typ 2-Stecker (AC-Laden) mit 11 oder 22 kW; CCS-Stecker (DC-Laden) mit max. 150 kW Ladezeit: Schnellladen ca. 30 Minuten (auf 80%), Heimladen ca. 4-5 Stunden Sitzplätze: 5 Kaufpreis: 79.900 Euro Batterie im Preis enthalten: Ja Serienausstattung: Luftfederung mit Niveauregulierung, permanenter Allradantrieb, Navigationssystem, zwei Ladebuchsen, elektrische Heckklappe, Wärmepumpe, Tempomat, LED-Scheinwerfer Audi e-tron Fahrbericht Test